Man sollte meinen, dass in Deutschland die Wahrung von Grundstücksgrenzen und Eigentum heilig sind. Doch beim Bau von Immobilien, die die Grenze zum Nachbarn überschreiten, wissen Bausachverständige nur zu gut: Mit Glück ist dieser grenzüberschreitende Bau dennoch unanfechtbar. Wir geben Auskunft!
Ist das Nachbargrundstück zur Baustelle erklärt, kann es manchmal schnell gehen. Das Land wird vermessen, der Plan entworfen und schon beginnt der Bau. Doch was ist, wenn dabei die Grenze zum Nachbargrundstück überschritten wurde? Dann stehen die Chancen tatsächlich gut, dass diese Grenzüberschreitung tatsächlich geduldet werden muss.
Grundstücksgrenze: Darf ein grenzüberschreitender Bau stehen bleiben?
Diese Frage ist im Bundesgesetzbuch unter § 9912 ff. eindeutig geklärt. Und zwar geht es hier um die sogenannte Duldungspflicht. Diese gilt, sofern der Bauherr bei der Errichtung eines Gebäudes die Grenzen eines anderen Eigentümers überschreitet, ohne dass ihm in diesem Fall grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorgeworfen werden kann.
Außerdem muss der Eigentümer des Grundstücks, welches überschritten wurde, sofortigen Widerspruch gegen den Bau erheben. Geschieht dies nicht, kommt das einer Duldung gleich.
Wichtig: Leicht abtrennbare Gebäudeteile wie Balkone, Fensterläden oder Markisen sind von der Duldungspflicht ausgenommen.
Bei Fahrlässigkeit sieht die Sache anders aus
Sollte bei dem grenzüberschreitenden Bau eine Fahrlässigkeit vorliegen – zum Beispiel, wenn sich der Bauherr im Vorfeld nicht fachkundig über die Grundstücksgrenzen informiert hat, oder wenn beim grenzüberschreitenden Bau Eigentum des Nachbarn beschädigt wurde – kann die Duldungspflicht entfallen.
Relevant ist in jedem Fall, ob ein Widerspruch erfolgt ist und zu welchem Zeitpunkt. Ohne Widerspruch muss man von einer Duldung ausgehen. Ein zu spät erfolgt Widerspruch könnte außerdem aufgrund der zeitlichen Verzögerung hinfällig sein.
Oft ein Tipp vom Bausachverständigen: Absprachen helfen
Im Falle einer grenzüberschreitenden Bebauung sind die Chancen auf Duldung hoch. Dennoch: Sicher ist nichts. Deshalb empfiehlt es sich in jedem Fall, vor Baubeginn zu prüfen, ob Grenzen überschritten werden und falls ja, ob sich dies vermeiden lässt. Falls es sich nicht vermeiden lässt, kommen Sie am besten vorab in den Dialog mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks. Faire und klare Absprachen helfen, hier auf Nummer sicher zu gehen. Wer auf gut Glück spielt, riskiert eine Anfechtung.