Als Sachverständige in Zivilprozessen sind wir mit unserer Expertise immer wieder gefragt. Für viele Richter ist ein Gutachten jedoch weit mehr als nur ein Beweismittel. Eine fachkundige Einschätzung verschiedener Sachverhalte hat nicht selten maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang der Verhandlung. Die Verantwortung von Sachverständigen in Zivilprozessen ist enorm. Doch was bedeutet das eigentlich für den Gutachter?
Gerichtsgutachten – Mehr als nur ein Beweismittel
Gutachten vermitteln Richtern und Anwälten Erfahrungswerte, aus denen sie wiederum Schlussfolgerungen ziehen. Vermischt mit der Sachkunde des Richters, entstehen Tatsachen, die nur schwer anzufechten sind. Dabei gelten Sachverständige in Zivilprozessen laut Gesetz lediglich als Beweismittel und das Gutachten entspricht einer Zeugenaussage. In der Realität sieht das allerdings anders aus: Ein Gerichtsgutachten ist nur schwer anfechtbar. Zwar darf die Gegenseite dem Sachverständigen Fragen bezüglich seines Gutachtens stellen, letztlich wird ein Sachverständiger seine Argumentation aber immer verteidigen. Auch ein Gegengutachten hat häufig einen weitaus geringeren Stellenwert als das richterlich angeordnete. Im Klartext bedeutet das: Das Gerichtsgutachten nimmt mehr Einfluss auf die Entscheidung des Richters, als gesetzlich vorgegeben und die Rolle des Sachverständigen in Zivilprozessen geht weit über die eines richterlichen Gehilfen hinaus.
Kann ein Sachverständiger im Zivilprozess abgelehnt werden?
Gutachter können ebenso wie Richter abgelehnt werden, allerdings nur vor Beginn der Beweisaufnahme bzw. vor der Einreichung der schriftlichen Begutachtung. Eine spätere Ablehnung des Sachverständigen ist nur dann zulässig, wenn Zweifel an seiner Unbefangenheit bestehen und diese nachweisbar sind. Die Entscheidung hingegen, ob ein Gutachter befangen ist, obliegt jedoch wieder dem Richter, der ihn bestellt hat. Sofern das Urteil also von dessen Gutachten abhängt, wird der Richter sich auch darauf berufen wollen.
Gutachten sollten kritisch hinterfragt werden
Fazit: Ein Gutachten allein sollte nicht die Basis des richterlichen Beschlusses sein. Deshalb ist es immer ratsam, weitere Sachverständige in Zivilprozesse einzubeziehen – zumindest bei komplexen Sachverhalten. Vor allem aber sollten die Grenzen der Rolle des Sachverständigen gewahrt werden, schließlich sind auch Gutachter „nur“ Beweismittel und nicht für das Fällen von Urteilen zuständig.
Wir empfehlen allen Gutachtern und Sachverständigen in Zivilprozessen, sich dieser Situation vorab bewusst zu sein und möglicherweise einen Kollegen mit einzubeziehen. Ein objektiver Blick ist dingend erforderlich, andernfalls ist eine faire Prozessführung kaum möglich. Gleichzeitig schützen Sie sich selbst vor Befangenheitsvorwürfen.
Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg im Einsatz.